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Mein ehrliches Fazit zur Tempelnacht – aus der Sicht eines Rollstuhlfahrers

Von Ibo

Ich möchte hier ein paar persönliche Gedanken und Eindrücke zur letzten Tempelnacht teilen – vielleicht als Impuls für mehr Bewusstsein und echte Inklusion in diesen besonderen Räumen.

Es war meine zweite Tempelnacht, und grundsätzlich bin ich dankbar, dass ich überhaupt teilnehmen konnte. Ich habe mich gefreut, diesen Raum zu betreten – mit der Hoffnung, dass er wirklich offen ist für alle Menschen, auch für Menschen mit sichtbaren Behinderungen wie mich.

Viele Teilnehmende waren zunächst überrascht, dass ich als Rollstuhlfahrer dabei war – einige positiv, neugierig und offen. Es gab schöne Begegnungen, und ich habe auch Anerkennung dafür gespürt, dass ich gepflegt bin, durchtrainiert, präsent. Diese Wertschätzung hat mir gutgetan.

Gleichzeitig war ich aber auch mit einer anderen Realität konfrontiert:
Ich habe deutlich gespürt, dass viele – insbesondere Frauen – mir mit Unsicherheit, Distanz oder sogar Berührungsangst begegnet sind. Es war spürbar, dass meine Behinderung eine Art Barriere darstellte. Und das war schmerzhaft. Es lag nicht an sprachlichen Barrieren (es waren auch deutschsprachige Personen da), sondern ganz klar an meiner körperlichen Situation.

Als Mensch mit Behinderung erfahre ich im Alltag oft Ablehnung oder Unsichtbarmachung. Der Tempel schien mir ein Raum zu sein, in dem das anders sein könnte – bewusster, verbundener, echter. Umso mehr hat es mich enttäuscht, auch hier wieder ähnliche Erfahrungen zu machen.

💡 Ein paar Gedanken & Vorschläge für mehr Inklusion im Tempelraum:

• Macht von Anfang an bewusst, dass Menschen mit Behinderung Teil dieser Räume sein können – und auch sollen. Nicht als Ausnahme, sondern als Teil der Vielfalt des Menschseins.
• Ermutigt dazu, Unsicherheiten offen zu benennen oder neugierig zu hinterfragen. Wenn man nicht weiß, wie man jemandem begegnen soll – fragt, statt zu vermeiden. Auch wir mit Behinderung sind Menschen mit Bedürfnissen, Grenzen und Lust auf echten Kontakt.
• Vielleicht kann in der Einführung zur Tempelnacht ein Satz fallen wie:
„In diesem Raum sind alle Körper willkommen – alle Identitäten, alle Fähigkeiten. Wenn dir jemand begegnet, der anders ist als du es gewohnt bist – bleib offen. Frag, fühl, geh in echten Kontakt.“

Solche Räume haben so viel Potenzial für echte Verbindung. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass wir uns auch mit unbequemen Themen auseinandersetzen – wie Ausgrenzung, Berührungsangst oder Ableismus, der oft unbewusst wirkt.

Ich teile das hier nicht aus Ärger oder Vorwurf, sondern aus dem Wunsch, dass wir miteinander weiter wachsen – auch im Mitgefühl und in der Vielfalt unserer Körper und Lebenserfahrungen.

Danke, dass ich da sein durfte.
Danke, wenn du das gelesen hast.
Und danke, wenn du mit mir daran mitwirkst, dass Tempelräume noch inklusiver werden.

Herzlich,
Ibo
www.derkingimrollstuhl.de