Weltbetrachtungen von Jo Stadtphoenix
Phoenixgeflüster Teil 3
Abendmeditation … Bedingungslose Liebe fließt durch meinen Körper, verbindet sich mit Euch allen, dem ganzen Universum. Ich manifestiere ein paar Dinge, die ich mir für mein Leben wünsche und gönne mir eine Stunde friedlicher Schönheit. Plötzlich wird es laut. Ich schaue mal nach im Wohnzimmer von Familie Stadtphoenix …
Kleiner Exkurs: danke kryptischer Namensvetter mit der anderen Schreibweise für das Wortgeschenk. Ich werde es regelmäßig verwenden. Du bringst mich echt zum Lachen. Auch mit so Lebensweisheiten wie:?“Du trinkst Tee (dank Videochat hat man kaum noch Geheimnisse). Aber eines solltest du wissen und dafür brauche ich deine volle Aufmerksamkeit … Trommelwirbel: Trinke höchstens 250ml in einer Viertelstunde, sonst läuft es einfach durch.“ Köstlich Joe! Danke auch dafür.)
Ich gehe also ins Wohnzimmer und stelle fest, ich habe Captain Amerika zu Besuch. Ausgerechnet Der … Ich mochte ihn noch nie, zu glatt, zu wenig Tiefe die Figur, kritisiert meine Autorenseele. Unhöflich so laut zu sein, während die Mitbewohner meditieren. Meine Tochter und meine Nichte (Siamesische Zwillinge seit Geburt) fläzen sich Popcorn kauend, mit einem riesigen Pandabären als Schutzschild zwischen sich, auf unserem Sofa.
Ich setze mich einen Moment dazu, aber der Kontrast ist einfach zu heftig.
Meine Hand greift in die Schüssel mit den Chips, doch der anklagende Blick meiner Tochter sagt: Nicht alle aufessen. Ich greife hinein und verkrümle mich wieder in mein Zimmer, wo es ruhig ist und meine Meditation noch nachklingen darf. Meine schöne neue Welt, wie soll sie sein und was mache ich?
Freitagabend habe ich einen Entschluss gefasst: Ich muss nicht produktiv sein und lasse dieses neue Mantra fließen. Ich meine damit: Am Ende eines Tages, wenn alles Erlebte, Gedachte, Gefühlte, Ersehnte und Verpasste auf mich einströmt, bewerte ich meinen Tag nicht mehr danach, ob ich etwas auf meiner To-Do-Liste abgearbeitet habe. So der Plan.
Erst dann darf ich das andere genießen: all das Schöne, Leichte, Unbeschwerte, die langen Spaziergänge allein oder mit Freunden, die prickelnden Worte mit unbekannten Menschen beim Onlinedaten, lange Telefonate und Videochats mit meinen Soulbuddys oder denen, die es noch werden können. Gerade sind die Frequenzen gut, zum Verbinden und Freundschaften schließen. All das ist wunderbar und bereichert die Enge meiner Wände und ich erlaube mir es zu genießen, unabhängig von der Länge meiner To-Do-Liste.
Phoenixgeflüster Teil 2
Heute ist so ein Tag …
nachdem ich gestern optimistisch lächelnd aus der Höhle marschiert bin, habe ich ein paar Orientierungsschwierigkeiten, da draußen. Also suche ich mir erstmal einen gemütlichen Unterschlupf, leider immer noch alleine, Kontaktverbot und so. Überall zwickt und zwackt es. Will gekratzt, gekuschelt und befriedigt werden. Meno. Mein innerer Kater zieht einen beleidigten Flunsch und fährt schon mal die Krallen aus.
Rein prophylaktisch, falls einer was blödes sagt. Halt, stop! Altes Muster: Angriff ist die beste Verteidigung. Ich wollte doch jetzt ganz anders. Also nochmal von vorn: tief durchatmen, mit mir einchecken. Ich glaube ich habe in meinem Leben noch nie soviel geatmet wie in den letzten Wochen. Jaja … wissenschaftlicher Nonsens.
Ihr wisst was ich meine. Lauter wirklich, wirklich wunderbare Beatmungen, geistige Reisen, in meinen Körper finden und mich bewegen. Das hat schon was mit mir gemacht. Wenn die Angst kommt, kann ich wenigstens atmen. Die Ungewissheit bleibt. Das ist die neue Realität. Und es bewegt mich. Statt mich in meinem Zimmer zu verbarrikadieren und mir die Decke über den Kopf zu ziehen, suche ich Kontakt, mache einen schönen Spaziergang zu zweit natürlich mit Abstand, obwohl ich eigentlich gerne Händchen halten möchte und erkunde die neue Welt.
Phoenixgeflüster Teil 1
Ich glaube ich hatte noch nie so eine intensive Zeit mit mir selbst. Wir können uns nicht ausweichen, indem wir uns mit Arbeit, ausgehen, ständig beschäftigt sein, von dem ablenken, was sich zeigen will. Es zeigt sich trotzdem, meist in der Nacht durch wirre Träume, diffuse Ängste, sogar Panikattacken.
Was raus will, kommt raus.
Mein übliches Verhaltensmuster wäre jetzt einfach weitermachen. Noch mehr Projekte, Kontakte, Beschäftigung.
Jetzt kommt da dieses kleine lebensbedrohliche Ding und macht eine Vollbremsung. Autsch … Das tat echt weh. Ich pralle mit voller Wucht vor die Frontscheibe. Alles dreht sich. Mir ist schwindelig und ich habe ein paar Blessuren. Jetzt erstmal Wunden lecken und Hilferufe absetzen. Hört mich denn Keiner?
Irgendwie nicht. Die sind ja auch alle in diese Massenkarambolage geraten. Na gut. Selbstheilungskräfte aktivieren, noch ein bisschen Jammern und Weinen und dann?
Mal schauen was die anderen so machen.
Ich öffne die Türe meiner verbeulten Karosse (alias persönliches Schutzschild) und lasse meinen Blick schweifen. Wo ich auch hinsehe zeigt sich das gleiche Bild. Qualmende, verbeulte oder zusammengestauchte, teils übereinander geschachtelte Fahrzeuge. Ich huste mal ein bisschen. Plötzlich Totenstille: Alle schauen mich an. Uups. Das war garnicht meine Absicht und nun? Ich schaue mich nach einer verantwortlichen Person um, die Rettungsmaßnahmen einleitet, Schaden begrenzt, Menschen beruhigt, aber nichts passiert.
Alle schauen mich an. Warum nur musste ich husten und so die Aufmerksamkeit all dieser wartenden, verunsicherten Leute auf mich ziehen. Ich räuspere mich, um Zeit zu gewinnen. Vielleicht passiert ja irgend etwas. So eine Art Triage-System. Hier kommen die Leichtverletzten hin, da die Schwerverletzten und dort die …
Alle starren. Ich atme tief ein. Warum soll ich eigentlich immer die Verantwortung nehmen. Ich spür mal kurz nach, verbinde mich mit meinem Körper, meinen Sinnen, meinen Instinkten, straffe meine Schultern und laufe los. Schweigend, ohne Rechenschaft abzulegen oder die Menge gegen mich aufzubringen, indem meiner ehemals scharfen Zunge so etwas herausplatzt wie: „Sorry Leute. Jeder ist sein eigener Herr. Kommt mal in die Selbstfürsorge.“
Also schweige ich stattdessen und folge einem unbekannten Ziel. Es ist beängstigend einfach so ohne Sicherheitsnetz ins Blaue zu spazieren. Aber ich bin mutig und laufe weiter. Mutig war ich schon immer, Ängste hatte ich auch. Das hat mich aber nie davon abgehalten loszulaufen. Ich atme freier. Nur weg hier. Raus aus diesem riesigen, verbeulten, jammernden Knäuel aus Leibern und Material.
Ich schließe die Augen und folge meinem inneren Kompass. Den habe ich lange nicht gespürt. Ich laufe und laufe … bis die Luft klarer wird, der Geruch sich verändert. Zeit mal die Augen zu öffnen. Da sind ja noch andere Läufer und Bäume, Wasser, Sonne. Ich schaue mich um und sehe in freundliche, entschlossene Gesichter. Da keimt in mir Hoffnung auf und Dankbarkeit und Liebe.
Ich bin hier. Präsent, im Spüren bei mir und bereit in Kontakt zu gehen, diesmal echt, unverstellt, neugierig, interessiert, bewusst und ehrlich.