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Ich schlage aus Liebe


Von Corinna Müller, 30.7.2020.

Heute ist ein besonderer Tag. Meine Freundin und ich sind zu Besuch im Dominastudio Lux in Berlin-Tempelhof. Diesen Besuch habe ich meiner Freundin zum Geburtstag geschenkt.

Wir sind, was unsere Sexualität anbelangt, beide extrem neugierige Wesen. Ausserdem daten wir online und erhalten immer wieder Anfragen von Männern die sich wünschen, von uns an die Leine gelegt, und auf allen vieren nackt durch die Wohnung gepeitscht zu werden.

Bislang habe ich noch Schwierigkeiten mir vorzustellen, mich in ein enges Korsett zu quetschen, meine dunklen Haare zu einem strengen Zopf zu zurren, und meine Beine in hochhackige Overknees zu hüllen. Aber möglicherweise wird sich das heute Abend ändern.

Untersuchungen zufolge ist der Bereich der Domina derjenige, der im Horizontalen Gewerbe die höchsten Zuwachsraten zu verzeichnen hat. Wir alle leben in einer äusserst komplexen Welt und nicht wenige träumen davon, für eine kurze Zeit dem Alltag zu entfliehen und hinter gut verschlossenen Türen die Kleidung und auch die Kontrolle abzulegen.

Vermutlich hat es diese Neigungen schon immer gegeben. Aber spätestens seit 50 Shades of Grey dürfte der softe BDSM-Bereich auch seinen Siegeszug in die heimischen Schlafzimmer von Otto-Normal-Verbraucher gehalten haben.

Der heutige Abend wird von Erika (Kamala Mara) und Claudia veranstaltet, die ich schon von spannenden Frauen-Gesprächs-Runden zum Thema Liebe und Sexualität in Claudias privatem Wohnzimmer kenne.

Wir sind 15 Frauen ab Mitte 40 aufwärts, alle eher unauffällig gekleidet. Vom Ringelshirt übers Blümchenkleid und der Walla-Walla-Tunika mit grafischem Muster ist alles vertreten. Keine von uns sieht so aus, als würde sie privat in das Outfit einer Domina steigen.

Auch die Domina selbst, Johanna Weber, die uns durch den Abend führen wird, sieht nicht so aus wie man sich eine Domina vorstellt.

Sie ist eine Frau mittleren Alters in sportlichem Outfit. Ungeschminkt, mit praktischer Kurzhaarfrisur und natürlicher Ausstrahlung. Johanna ist ein Energiebündel. So quirlig, sympathisch, offen und nett, dass man sich sofort in ihrer Gegenwart wohl fühlt und sie am liebsten gleich zu sich nach Hause zum Kaffeetrinken einladen würde.

Sie lacht, redet und gestikuliert während sie uns etwas über ihre Arbeit erzählt die sie von ganzem Herzen liebt. Johanna wirkt absolut authentisch und ich glaube ihr jedes Wort. Ihr Job liegt ihr am Herzen. Er ist seit 26 Jahren ein Teil von ihr und sie sprüht vor Begeisterung wenn sie von ihrem Metier berichtet.

Ihre Leidenschaft geht so weit, dass sie die Räume des Studio Lux auch privat nutzt. Ich staune und sehe auch bei den anderen offene Münder. Hier hat jemand seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und der Beruf scheint Berufung zu sein.

Wir hängen an ihren Lippen während uns eine 1,90 m große Zofe, offensichtlich ein Mann mit rot lackierten Fussnägeln, schwarzer Langhaarperücke, grell-rotem Lippenstift und Gummihose Prosecco und kleine Tütchen mit Salzgebäck serviert.

Johanna schildert den Verlauf einer Session und gibt nützliche Tipps für den Hausgebrauch während mein Blick das Zimmer scannt in dem wir uns gerade befinden. Fasziniert betrachte ich den lilafarbenen Riesen-Dildo für den ein ziemlich großes Säugetier Modell gestanden haben muss.

In einer Ecke entdecke ich ein Sortiment aus Peitschen, an dem jedes Reitsportgeschäft seine helle Freude hätte. Mein Blick schweift über Seile die neben Ketten, Handschellen sowie Halsbändern an der Wand hängen und auf ihren Einsatz warten.

Johanna ist jetzt auf die abwaschbare Matratze geklettert, die die Oberseite eines Käfigs bildet in dem sich Hundenäpfe befinden. Auch hier wird an das leibliche Wohl der Gäste gedacht.

Mit einem zwischen die Knie geklemmten Kissen demonstriert Johanna, wie sie einen Klienten in die Mangel nimmt. Unwillkürlich muss ich an Xenia Onatopp denken. Die Frau, die in dem James Bond Film GoldenEye Männer mit ihren Oberschenkeln tötet.
Wir erfahren, dass Johanna sich auf jeden Kunden sorgfältig vorbereitet.

Im Vorfeld gibt es einen Schriftverkehr oder ein Telefonat in dem der Kunde, der hier König ist, seine Erwartungen und Wünsche mitteilt. Es gehört auch zu den Aufgaben einer Domina ihr Outfit nach den Vorstellungen des Klienten auszuwählen und sich die Videos anzuschauen die er schickt.

Johanna ist eine Wünsche-Erfüllerin, und als solche bezeichnet sie sich auch. Der Wunsch des Kunden ist ihr Befehl. Allerdings liegt ihre große Kunst darin, dass ihr Klient genau diesen Aspekt während einer Session vergisst.

Dazu katapultiert sie ihre Gäste in eine andere Welt. Sie spielt mit dem Gefühl der Spannung und des Unerwarteten. Angst, Aufregung und Ungewissheit versetzen in Erregung. Dabei dient eine Augenmaske als wichtigstes Accessoire.

Aber am Ende geht es um Sex. Genau wie auch bei einer gebuchten Erotik-Massage erwartet Johannas Kunde ein „Happy End“. Dafür legt sie auch gerne selbst Hand an. Allerdings ist das nicht bei allen Dominas gleich. Manche haben Sex mit ihren Kunden, manche nicht.

Nach und nach besichtigen wir die großzügigen Räumlichkeiten des Studio Lux. Fasziniert betrachte ich eine Maske, mit der der Kopf hermetisch abgedeckt, und die Luftzufuhr nur durch ein schmales Röhrchen gewährleistet wird. Hier wird wirklich jeder Wunsch erfüllt. Auch der des Gefühls, lebendig begraben zu sein. Was des einen Alptraum, ist des anderen Lust.

Die anderen Masken wirken vergleichsweise harmlos. Neben einem grotesken Schweinskopf hängt ein Beagle und ich fühle mich seltsam berührt von demmelancholischen Blick mit dem er auf mich herab schaut. Im Laufe des Abends erfahren wir, dass Domina nicht gleich Domina ist und worauf man sich spezialisieren kann. Johanna erzählt, das manche Kunden aus der ganzen Welt angereist kommen um eine bestimmte Behandlung bei ihren Kolleginnen zu buchen.

Da gibt es die fast blinde Domina, die eine Koryphäe im Bereich der Prostata-Massagen ist. Und dann noch die Dame, die sich mit Strom auskennt. Ich begreife, dass ich es hier mit Spezialistinnen, mit Meisterinnen ihres Fachs zu tun habe. Hier geht es nicht um schnödes Ficken, es geht um Fetische und Fantasien. Ich fühle mich ein bisschen wie Alice im Wunderland und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Im nächsten Raum hängen Taucheranzüge an einer Stange. Bei näherem Hinschauen stelle ich fest, dass es sich um Latexkleidung in allen Formen, Größen und Farben handelt.

In einem Arztzimmer entdecke ich einen Stuhl, den ich von Besuchen beim Frauenarzt kenne. Aber dieser hier hat eine Kopfstütze bei der der Kopf fixiert, und das Gesicht mit einer Abdeckung versehen wird.

Im Flur steht eine einsame Toilette unter der ein Plastiksack baumelt. Aber bevor meine Fantasie mit mir durchgeht wende ich mich ab und lasse meinen Blick über unzählige bunte High Heels, Kostüme und Perücken schweifen die auf ihren nächsten Einsatz warten.

Nach der Besichtigung mit Johanna unterhalten wir uns noch mit den beiden Veranstalterinnen Claudia und Erika. Wir erfahren, das BDSM und Tantra kein Widerspruch sein müssen und das Erika aus Liebe schlägt.

Wir hören, was es mit CFNM (Clothed Female Nacked Men) und FLR (Female Led Relationship) auf sich hat und noch vieles mehr.

Am Ende des Abends treffen wir wieder auf Johanna die unsere letzten Fragen trotz der unerträglichen Hitze geduldig und immer noch voller Witz und Charme beantwortet. Äusserst zufrieden verlassen wir kurze Zeit später das Studio Lux.

Mein Fazit: Eine Besichtigung des Studio Lux und eine Führung lohnt sich für jeden, der sich für Sexualität interessiert. Und für 20 Euro konnte ich meiner Freundin ein unvergessliches Geburtstagsgeschenk machen!

Ein großes Dankeschön an Johanna für ihr Engagement, aber auch an Claudia und Erika die diesen Abend organisiert haben!

Corinna Müller

Foto: Pixabay